Wer kennt sie nicht, die Versprechungen der Arbeit 4.0 bzw. New Work: Wir, die Arbeitnehmer, dürfen flexibel unsere Arbeitszeiten gestalten, projektbezogen, vielleicht sogar agil zusammenarbeiten und unseren Arbeitsort aussuchen, denn örtliche Grenzen werden aufgelöst, gleichzeitig allerdings auch die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben.
Das Mobile bzw. Homeoffice löst den klassischen Bürokomplex ab, und der Open Space die Isolationszellen unserer Vierer-, Zweier, gar – wer will das schon? – Einzelbüros. Wir sind zuallererst Entrepreneurs at heart und Manager unserer eigenen Arbeitskraft, die Wochenarbeitszeit gehört ganz allein uns, in dem Vertrauen unseres Arbeitgebers, dass wir diese gewissenhaft nutzen, um in Guilds und Tribes, Chapters und Squads an gemeinsamen Themen, Produkten und Projekten zu arbeiten.
Wurden wir früher noch über knallharte Zielvorgaben gesteuert und mit Provisionen und Leistungsprämien belohnt, werden wir heute durch Objectives & Key Results gelenkt, durch Backlogs, die uns sagen, was der Kunde wirklich wünscht. Der Chef war früher Manager (und wer von uns wollte das nicht mal werden?), heute ist er Mentor und Coach, der mir natürlich trotzdem sagt, wo es langgeht. Ganz transparent, total partizipativ, als Bestandteil eines großen Ganzen, auf das ich als Individual Contributor natürlich einzahle. Boni sollten, sofern sie überhaupt noch existieren, vor allem jedoch unternehmens- und teambezogen bestimmt werden, denn ganz so individuell bin ich dann doch nicht, bitteschön.
Das Schöne an der New Work ist es, dass wir theoretisch machen sollen und dürfen, was wir wirklich wollen. Das, was unser Herz uns sagt und was unsere Leidenschaft entfacht. Doch kann ich das als Projekt- oder Accountmanager, als Personalreferent oder Controller, wirklich wollen? Möchte ich meine berufliche Rolle tatsächlich im Privatleben weiterführen, weil zum einen Beruf und Freizeit ja heute nicht mehr übertrieben getrennt werden sollen, und weil ich doch wirklich und ganz ehrlich im tiefsten Herzen ein Buchhalter oder Qualitätsmanager bin, auch auf der Couch, dem Spielplatz und der Eigenheimbaustelle? Und wie soll ich meinen tatsächlichen Wünschen und Leidenschaften im Job nachgehen, wenn kurzfristige – iterative – Projektmeilensteine das berufliche Sein dominieren? Denn dort, in der Tätigkeit und den Vorgaben meines Arbeitgebers, gibt es ihn auf einmal doch wieder, den Scope, also die Grenzen der beruflichen Freiheit, die doch eigentlich eingerissen werden sollten.
Wir alle suchen Purpose, Growth und Autonomy, das ist das Wesen des Menschen, da sind sich viele schlaue Köpfe einig. Klingt auch plausibel und schön, keine Frage. Doch sollten wir hinterfragen, ob uns die New Work all dies geben kann, oder ob sie oftmals als neuer Stempel auf vieles gesetzt wird, was wir doch eigentlich in den letzten Jahrzehnten durch Arbeitnehmervertreter, Interessenverbände, Arbeitsrecht, -schutz und -sicherheit regulieren und mäßigen wollten.
Und letztlich ist dies das Ziel dieses Blogs: Nämlich einen ehrlichen Blick auf das zu werfen, was uns heute als schöne neue Arbeitswelt verkauft wird und was wir, besonders wenn wir jung und motiviert in das Berufsleben starten, so begeistert und gutgläubig (denn wir glauben an das Gute und die Hoffnung stirbt zuletzt!) und dankbar annehmen. Dafür bediene ich mich der (Fach-)Literatur, der Medien und ganz besonders natürlich persönlicher Erfahrungsberichte – sei es meiner eigenen oder Erzählungen von Familie, Freunden und Bekannten, und natürlich die meiner Leser, sofern sie diese mit mir teilen wollen, sei es anonym oder als ausgewiesener Gastbeitrag.
Willkommen in der New Worldk!
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