Vor einem halben Jahr bin ich in einen neuen Job gestartet, und schon ist die Probezeit überstanden. Es ist verrückt, wie die letzten Monate beruflich an mir nur so vorbeigeflogen sind – und gleichzeitig die Zeit im Jahre 2020 einer anderen Logik folgt, klebt und schleicht und sich unendlich in die Länge zieht, so dass dieses Jahr meinem Gefühl nach bereits mindestens 20 Monate durchlaufen haben muss. Weil das Leben gerade ein anderes ist, als ich es in den letzten drei Jahrzehnten kennengelernt habe, weil ich bis heute mein Team nahezu ausschließlich über MS Teams oder Zoom kenne und weil das Privatleben so isoliert und unvorhersehbar ist, wie es zu Pandemie-Zeiten wohl sein muss.

Und doch kann ich vor allem aufgrund der letzten Monate im neuen Job ein positives Fazit für dieses verrückte Jahr ziehen. Ich freue mich jeden Morgen darauf, den Arbeitslaptop aufzuklappen – zugegeben an manchen Tagen mehr als an anderen und der Montagmorgen gehört naturgemäß vielleicht nicht immer dazu. Aber die Tage fliegen nur so an mir vorbei, weil sie vollgepackt sind mit Themen und Herausforderungen, die in ihrer Breite und Tiefe genau dem entsprechen, was ich im Beruf suche. Und ich freue mich darauf, mit meinen Teamkollegen zu schreiben und zu sprechen, auch wenn es nur digital ist. Und aufgrund dieses positiven Fazits der letzten Monate muss ich mich in meiner vagen Überzeugung gestärkt sehen, dass nicht alles im Leben ein verrückter Zufall sein kann, sondern dass manchmal vielleicht das Schicksal doch unsere Bahnen lenkt; oder zumindest der menschliche Geist und die eigene Überzeugung dafür sorgen, dass sich unbewusst die Dinge doch so fügen, wie man sie sich wünscht.

Es gab jedoch Zeiten in meinen Leben, in denen ich nicht wusste, was ich werden möchte, wenn ich groß bin, oder ob mir dieses Großsein überhaupt gefällt. Und es gab Zeiten, in denen ich jede Entscheidung über meine schulische, akademische und berufliche Laufbahn stark in Zweifel gezogen habe und zu der festen Überzeugung gelangte, dass ich alles anders machen würde, wenn ich noch einmal die Chance dafür bekäme. Sicherlich sind diese Zweifel nicht komplett verschwunden und es gibt auch keine Garantie dafür, dass sie nicht zukünftig immer mal wieder zu Besuch kommen werden. Und das ist vermutlich auch gut so, denn der Zweifel treibt mich an, zusammen mit der immerwährenden Suche nach dem tieferen Sinn und einer Aufgabe, dem Wunsch, meine Zeit nicht vergeudet zu haben und am Ende meines Lebens glücklich und zufrieden im Schaukelstuhl sitzend, mit einem Glas Prosecco in der Hand, das Ende begrüßen zu können. Aber bis dahin ist hoffentlich noch viel Zeit, Zeit zur Freude, Zeit zum Zweifeln, zum Zagen und Versuchen.

Nicht alle Wege führen ins Glück

Mein Weg bis hierher, zu diesem Moment, in dem ich zufrieden meine beruflichen Entscheidungen im Jahr 2020 absegnen und die überstandene Probezeit feiern kann, war kein geradliniger. Ich habe in den letzten Jahren immer mal wieder eine Abzweigung genommen, die in einer Sackgasse endete oder mich zurück auf Los! geschickt hat. Zumindest entspricht das meiner Wahrnehmung, auch wenn der Lebenslauf einen anderen Eindruck erwecken könnte, denn objektiv betrachtet ist nichts an meinem Weg falsch gewesen, vielleicht sogar bewundernswert in den Augen anderer. Aber für mich hat sich vieles falsch angefühlt, die vielen Aufgaben, die in keiner Weise meinem Naturell entsprachen, das vor allem in Ruhe und ohne Unterbrechung arbeiten, nachdenken, tüfteln, analysieren möchte – und das in Rollen überstrapaziert wurde, die oft das genaue Gegenteil erforderten: ständige Erreichbarkeit, zwanghafte Diplomatie, unbändige Geduld und oberflächlichen Pragmatismus.

Das Schwierigste war für mich jedoch, mir einzugestehen, wenn ich einen falschen Weg eingeschlagen hatte. Diese Niederlage, dass es trotz guter Leistung für mich einfach nicht passt, dass ich mich zur Arbeit quälen muss und der Schlaf gestört ist, weil der ständig überspannte Geist nicht zur Ruhe kommen kann. Das Eingeständnis, mich wieder einmal falsch entschieden zu haben, dass ich auf Ankündigungen, Zugeständnisse und Versprechungen in Bewerbungsgesprächen vertraut habe, die sich letztlich als gut gemeinte Absichten, vielleicht auch langfristige Perspektiven entpuppten, für die meine Geduld und Durchhaltevermögen jedoch nicht ausreichten. Und immer wieder die Frage, wie es zu diesem fundamentalen Missverständnis kommen konnte zwischen dem, was ein beruflicher Weg bieten würde und dem, was ich eigentlich suchte – und vermeintlich offen kommuniziert hatte.

In zwei von drei beruflichen Neuversuchen beruhte dieses Missverständnis sicherlich auf wohlmeinender Intention und dem Glauben, dass die angestrebte Rolle genau dem entsprechen würde, was ich mir vorstelle – oder ich diese meinen Wünschen entsprechend noch würde formen können. In einem Fall jedoch steckte hinter den Versprechungen und Angeboten, die mich zu einer beruflichen Entscheidung verleiteten, pure Kalkulation gepaart mit dem Willen, Informationen bewusst zu beschönigen, zu unterschlagen oder gar wissentlich zu verfälschen. In der Annahme, dass ich mich sicherlich der Realität und den Anordnungen „von Oben“ fügen würde, und vermutlich auch in dem Glauben, dass meinerseits ausreichend LeidensAnpassungsfähigkeit vorhanden sein müsste. Ein Irrglaube, wie sich schnell herausstellte.

Warum geradlinig nicht immer zielführend sein muss

Und heute kann ich sagen, dass ich mich zum Glück nicht an enttäuschte Erwartungen gewöhnt oder mich in ein Schicksal gefügt habe, das aus der Sicht anderer vielleicht keine Klage wert ist, wenn man sich doch einfach ein wenig zusammenreißt (denn die Rente kommt ja irgendwann, dir geht es doch so gut, und wer hat schon Spaß am Arbeiten?). Heute weiß ich, dass jede Sackgasse ein Hinweis darauf ist, welche Wege ich zukünftig nie wieder einschlagen werde und dass jeder Meter auf meinem bisherigen Weg doch auch ein Meter bleibt, der auf dem Kilometerstand dazu gehört und ihn nach oben treibt. Und niemand kann mir die Erfahrung nehmen, dass auch verschlungene Pfade irgendwo hinführen und Überraschungen bergen können, die auf einer geradlinige Schnellstraße vielleicht unbemerkt vorbeifliegen. Ich bin heute dort, wo ich bin, weil ich herumirren musste und nun weiß, dass sich der jetzige Wegpunkt endlich wieder richtig anfühlt.

Inwiefern diese Erfahrung mit der New Work zu tun hat, kann ich an dieser Stelle nicht elegant ableiten und in den Kontext dieses Blogs einbetten. Aber man muss ja auch nicht auf alles ein Label kleben, damit es einen Sinn ergibt. Hauptsache man hat Spaß bei dem, was man tut – und manchmal auch ein Glas Prosecco in der Hand.

Disclaimer: Der oben stehende Text könnte allein auf meinen eigenen Erfahrungen beruhen, muss dies aber nicht. Jeder Beitrag, der hier veröffentlicht wird, erscheint in der „Ich“-Form und entstammt meiner Tastatur, aber basiert nicht zwangsläufig auf meinen Erlebnissen oder Ansichten. Ausnahmen in Form und Stil sollen nur explizit ausgewiesene Gastbeiträge bilden. Um die Anonymität der Beitragsleistenden sicherzustellen, wird die Quelle, sofern nicht anders gewünscht und entsprechend markiert, ausnahmslos nicht benannt. Es ist damit der Fantasie des Lesers überlassen, einen Artikel als Eigen- oder Fremdbeitrag zu verstehen.