Nach einer längeren Abwesenheit von diesem Blog und einem wunderbar erholsamen Urlaub in der österreichischen Bergwelt melde ich mich hier nun endlich zurück. Ich freue mich über die Besucher der letzten Wochen und das anhaltende Interesse an dieser Plattform und hoffe, dass ich trotz aktuell hochsommerlicher Temperaturen, Wetterprognosen und Aktivitäten sowie meiner beruflichen Aufgaben nun wieder vermehrt dazu kommen werde, neue Beiträge zu veröffentlichen – egal ob als Gast- oder Eigenbeitrag.
In den letzten Wochen habe ich zum wiederholten Male gemerkt, wie wichtig es ist, sich bewusst Auszeiten zu nehmen und für eine Weile aus dem alltäglichen Hamsterrad auszusteigen. Viel zu schnell werden Vorhaben und Interessen in die tägliche To Do-Liste überführt und bekommen somit einen bedrohlichen „Ich muss noch…“-Charakter, der die Freude und Lust an der eigentlich Aufgabe nehmen kann. Wir müssen so vieles: morgens aufstehen und zur Arbeit fahren bzw. im Homeoffice Platz nehmen, unser Bestes im Beruf geben, stets freundlich und aufgeschlossen sein, gesund kochen und einkaufen, Sport machen, den Haushalt schmeißen, Erledigungen und nervigen Papierkram abarbeiten, Freundschaften und Netzwerke pflegen, für die Familie da sein, uns weiterbilden und noch so vieles mehr. Allein durch den Blick auf diese Liste bricht mir schon wieder der Schweiß aus, was nicht nur daran liegt, dass die Außentemperaturen zurzeit kaum Abkühlung ermöglichen. So sieht jedoch das Leben der meisten Menschen aus, die ich kenne, und auch mein eigenes zählt dazu.
In Anbetracht all dieser Verpflichtungen und Aufgaben, die nicht zwangsläufig nur von Extern gestellt werden, sondern allzu oft unseren eigenen Ansprüchen entspringen, sollte es nicht verwundern, wenn einem irgendwann die Puste ausgeht und jedes weitere To Do zu einem gefühlt unüberwindbaren Hindernis wird. So geht es zumindest mir, wenn ich lange Phasen des Fleißes und Schaffens habe, ohne für ein paar Tage durchatmen zu können und das Leben einfach mal Leben sein zu lassen. Ich merke dann, wie der Puls kaum noch runterfährt, der Geduldsfaden zunehmend kürzer wird, der Schlaf unruhiger und die gute Laune schlapp macht. Was ich paradoxerweise ebenfalls beobachte, ist die verstärkte Tendenz in solchen Phasen noch besessener Checklisten zu schreiben und den Kalender bis zur Kapazitätsgrenze auszulasten, um all die Aufgaben und Notwendigkeiten, die mir im Kopf herumschwirren, irgendwie festzuhalten und nicht aus den Augen zu verlieren. Und tatsächlich auch vermehrt meine Arbeits-Mails zu checken und abends einen Blick auf das Diensthandy zu werfen – ein Vergehen, das ich mir nach leidvollen Vorerfahrungen strikt untersagt hatte.
Das Bundesurlaubsgesetz, unser Freund und Helfer
Wenn ich an diesem Punkt angelangt bin, weiß ich mittlerweile, dass es Zeit wird, kurz auszusteigen und Abstand zu nehmen und mit einem Schlag möglichst alle Pflichten, sofern sie verschiebbar sind (und wenn wir ehrlich sind, trifft dies doch auf die meisten unserer Verpflichtungen zu), niederzulegen. Dann weiß ich, dass es Zeit wird für den nächsten Urlaub – der uns deutschen Arbeitnehmern zum Glück bezahlt und im ausreichenden Maße gesetzlich zugestanden wird. Urlaub ist als Erholungsurlaub gedacht, so steht es im Bundesurlaubsgesetz (§1) und bietet somit die Möglichkeit neue Energie zu schöpfen und damit die eigene Gesundheit und nicht zuletzt Arbeitskraft zu stärken. Heute, mit Anfang 30 und einigen Jahren im Berufsleben, habe ich endlich verstanden, wie wichtig diese Möglichkeit ist und wie nachhaltig und vernünftig es ist, dieses Privileg des Erholungsurlaubes zu nutzen.
Jahrmarkt der Eitelkeit
Der Weg zu dieser Erkenntnis war jedoch nicht kurz und selbstverständlich, sondern hat einiger leidvoller Erfahrungen bedurft – die sich nicht allein auf die Urlaubszeit beschränken, sondern ganz allgemein auf die wortwörtliche Freizeit. So wie viele engagierte und ehrgeizige Arbeitnehmer bin auch ich lange dem Irrtum aufgesessen, dass mehr tatsächlich mehr wäre und es somit notwendig sei, an Wochenenden, Feiertagen und im Urlaub zumindest sporadisch zu arbeiten. Denn schließlich bleibt das Arbeitsleben nicht stehen, wenn wir selbst im Urlaub sind (außer wir sind in Unternehmen beschäftigt, in denen Betriebsferien den Urlaubstakt vorgeben) und die Kollegen arbeiten weiterhin, Projekte laufen weiter und Deadlines existieren unbeirrt fort oder werden neu gesetzt – und all dies nicht immer oder viel zu selten unter Berücksichtigung unserer eigentlichen Abwesenheit.
So gesehen gibt es immer etwas zu tun und natürlich werden wir gebraucht – es wäre schließlich auch traurig, wenn unser möglicher Beitrag so gering ausfiele, dass der Ausfall unserer Leistungskraft unbemerkt bliebe. Daher ist unsere allzu häufige Annahme, im Job unentbehrlich zu sein nicht nur reine Eitelkeit, sondern auch Ausdruck unseres grundlegenden Wunsches nach Sinnhaftigkeit und Einfluss und somit grundsätzlich menschlich. Auch ich war vor diesem Trugschluss nicht gefeit und habe lange geglaubt, dass es absolut unerlässlich sei, im Urlaub zumindest E-Mails und die wichtigsten Anfragen zu beantworten sowie Ausblick für die Zeit nach meinem Urlaub zu geben. Ich wollte zuverlässig sein, verbindlich und engagiert, jeder sollte sehen, dass mir mein Job selbstverständlich auch meine Freizeit wert ist. Und so erinnere ich mich beispielsweise mit Grauen an den ersten Sommerurlaub in meiner Berufstätigkeit, bei dem ich morgens und abends mit einer katastrophalen WLAN-Verbindung kämpfend unzählige E-Mails beantwortete, der Mailstrom jedoch nie zu versiegen schien (natürlich tat er dies nicht, denn die Kolleginnen und Kollegen merkten ja, dass ich trotz Abwesenheitsnotiz erreichbar war).
Jeder ist entbehrlich – und das ist auch gut so!
Dass dies ungesund ist und im Kern absolut falsch, habe ich erst verstanden, als ich vor einigen Jahren für ein paar Wochen krank wurde und Dank einer heftigen Infektion so richtig flach lag. Durch Fieber und Schmerzen war der Griff zum Diensthandy oder gar -laptop unmöglich und meinen Körper hat es nicht interessiert, dass diese und jene Deadline doch eigentlich kurz bevorstand oder dass ich gerade eine neue Rolle übernommen hatte, in der ich mich doch erst noch beweisen musste. Ansprechpartner haben von einem auf den anderen Tag schlagartig nichts mehr von mir zurückgehört, Kollegen haben auf Fragen keine Antworten mehr erhalten.
Das Verrückte war: Das Leben ging weiter. Die Arbeitswelt drehte sich wie gewohnt, Projektziele wurden erreicht, Fragende fanden Antworten, mein Mail-Fach explodierte nicht, da mit den Tagen der Funkstille jedem klar wurde, dass ich offenbar abwesend und tatsächlich nicht erreichbar war. Ich wurde gesund und kehrte in den Job zurück, der mir wundersamerweise und entgegen aller Befürchtungen nicht gekündigt wurde (denn Arbeitgeber sind keine Monster), es warteten neue dringende Aufgaben und alte weniger dringende, manch eine Anfrage hatte sich auf wundersame Weise selbst geklärt und auch die neue Rolle konnte ich erfolgreich meistern. Niemand legte mir diese Abwesenheit jemals zur Last oder drehte mir einen Strick daraus, dass ich doch tatsächlich nicht auf E-Mails reagiert hatte. Es gab wie immer viel zu tun, aber ich musste nicht die „verlorene“ Arbeitszeit nachholen, denn das meiste lässt sich vertagen und das, was sich nicht verschieben lässt, kann notfalls durch hilfsbereite Kollegen gemeistert werden – denn so einzigartig sind unsere Kompetenzen in den seltensten Fällen, dass außer uns niemand sonst in der Lage wäre, unsere Aufgaben und Problemstellungen zu bewältigen.
Einfach abschalten
Und so wagte ich in jenem Jahr, in dem ich diese verrückte Erfahrung des Plötzlich-doch-entbehrlich-seins machen durfte, das Experiment, mein Diensthandy während meines Jahresurlaubs ausgeschaltet zu lassen. Ich konnte das obengenannte Wunder tatsächlich reproduzieren, die Welt rotierte weiter, niemand verlor den Verstand ob meiner Abwesenheit, Themen und Probleme lösten sich auch ohne mich, ich durfte meinen Job behalten und es warteten genügend neue Aufgaben nach meiner Rückkehr. Welche Erleichterung diese Erfahrungen gebracht haben! Welche Beruhigung und Leichtigkeit mir der Gedanke auch heute noch verschafft, dass ich doch nicht so unfassbar wichtig und unersetzlich bin, wie ich früher immer angenommen habe! Und so bleibt das Diensthandy nun immer aus, wenn Wochenende oder Feiertag ist oder ich mich im Urlaub irgendwo in der Welt oder auf der Couch befinde und wird erst an dem Morgen wieder angeschaltet, an dem ich mich erholt, erfrischt, motiviert und voller neuer Energie auf den Weg zurück zur Arbeit mache.
Meine Out of Office-Nachricht ist somit mehr als nur eine Formalität und die leise Bitte um Geduld, dass ich mich eventuell langsamer als gewohnt zurückmelde. Sie ist das „Geschlossen“-Schild meiner Arbeitskraft, das dunkle Schaufenster, das verkündet, dass gerade niemand anwesend ist – und erst wieder auf „Offen“ gedreht wird, wenn ich physisch zurück am Arbeitsplatz bin.
So wie jetzt: ich bin offiziell zurück und freue mich auf meine Aufgaben, Verpflichtungen und neue tägliche To Do-Liste, zu der auch wieder dieser Blog gehören wird. Bis zum nächsten Urlaub, versteht sich!
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